Birke
(Betula L., hierzu Tafel »Birke«
),
Gattung
aus der
Familie der
Kupuliferen,
Bäume und
Sträucher mit einer
meist in hautartigen Blättern sich lösenden, im
Alter stets rissigen
Rinde, ganzen, rauten- oder herzförmigen, gezahnten
oder gesägten Blättern und männlichen Blütenkätzchen, die sich im
Sommer entwickeln und den
Winter hindurch geschlossen
an den entlaubten
Zweigen hängen, während die weiblichen Trugdöldchen erst im
Frühling erscheinen. 1.
Gruppe: weißbuchenblätterig
Birken:
Bäume mit länglichen und zugespitzten Blättern, deren Mittelnerv zahlreiche einander parallel
laufende, durch Queradern verbundene
Äste absendet. Die Zuckerbirke
(Birke
lenta L., Birke
carpinifolia
Ehrh.), 20-24 m hoher, rasch
wachsender
Baum mit braunschwarzer, in dickern, breiten
Stücken sich lösender
Rinde, welche gewürzhaft und süß schmeckt,
ähnelt der Schwarzbirke
, noch mehr hinsichtlich der
Blätter der
Hainbuche, wird in
Nordamerika,
[* 2] ähnlich
wie der Zuckerahorn, auf
Zucker
[* 3] benutzt und liefert auch ein schönes rosafarbenes
Nutzholz.
Birke
utilis
Don., mit brauner Stammrinde,
wird in den nördlichen Teilen des
Himalaja zur Anfertigung von
Papier benutzt. 2.
Gruppe: rautenförmig-eirundblätterige
Birken,
Bäume, weniger
Sträucher, mit kurzen Blättern, von deren Mittelnerv wenige Hauptäste in einem
Bogen
[* 4] abgehen, zwischen welchen die netzförmige Äderung weniger deutlich hervortritt. Die Papierbirke
(Birke
papyraces
Ait.), ein schöner, schnellwüchsiger, bis 25 m hoher
Baum mit weißer, in
Häuten sich ablösender
Rinde, wächst in
Kanada
und in den nördlichen
Staaten der
Union, auch im östlichen
Sibirien und im nördlichen
Japan.
[* 5]
Man löst seine
Rinde in 3-5,5 m langen und fast 1 m breiten
Stücken ab und fertigt daraus dauerhafte, sehr leichte
Kanoes,
welche auf
Reisen durch das Land von einem Gewässer zum andern getragen werden können. Ein
Kanoe für 4
Personen wiegt 20-25
kg. Die Rotbirke
(Birke
nigra L., Birke
rubra
Mchx.), mit schon zeitig sehr rissigem, schwarzem
Stamm, wird 18-24
m hoch, wächst in den
Vereinigten Staaten
[* 6] von
Massachusetts bis
Florida. Die Moorbirke
(Birke
pubescens
Ehrh.), strauchartig, mit
nie oder nur schwach weiß werdendem
Stamm, auf den jungen
Trieben stets weichhaarig und mit eirunden, oft
herzförmigen, spitzen, grob, aber unregelmäßig gezahnten Blättern, welche die
Behaarung wenigstens auf der Unterfläche
bis in den
Herbst behalten, findet sich in den
Gebirgen Mitteleuropas, im
Norden
[* 7] auch in der
Ebene und wächst ungemein langsam;
ihr
Holz
[* 8] ist wie das der folgenden verwendbar.
Die Weißbirke
(Rauh-,
Stein-,
Winter-,
Maser-, Harzbirke
, Maienbaum, nordische Birke, Birke alba L.), bis 18 m
hoher
Baum, hat schwarzgraue
Äste, eine in hautartigen, weißen Blättern vom
Stamm und den ältern
Ästen sich lösende
Rinde,
fast immer behaarte, junge
Triebe und Blattstiele und meist einfach, aber ungleich gesägte
Blätter, die in der
Jugend oft
wie mit
Firnis überzogen sind. Sie bildet in Nordeuropa und
Asien
[* 9] große
Wälder, entwickelt bei Entfaltung
der
Blätter einen angenehmen
Geruch und heißt deshalb auch Ruch- oder Moschusbirke (Birke odorata
Bechst.). Sie wird jetzt häufig
mit der Moorbirke zusammengezogen. In unsern
Gebirgen erscheint sie sehr oft strauchartig, wächst dann aber in der
Regel
nicht auf sumpfigen, torfigen
Stellen; herunterhängende
Äste kommen bei ihr seltener vor. Die Hängebirke (Trauerbirke, Birke pendula
Roth, Birke. Verrucosa
Ehrh., Birke alba
Bechst., s. Tafel »Birke«) ist der vorigen
sehr ähnlich, doch sind die jungen
Triebe von Anfang an unbehaart und oft mit durch
¶
mehr
Verhärtung von Drüschen entstandenen Erhabenheiten besetzt; die Blätter sind vorherrschend rauten- oder deltaförmig, doppelt gesägt, die Blattstiele nie behaart. Der Baum hat eine mehr verlängerte, eiförmige Krone mit schwachen, oft tief herabhängenden Ästen, und da die Blätter kleiner sind als bei der nordischen Birke, so ist die Krone durchsichtiger. Die Hängebirke findet sich vorherrschend im mittlern Europa [* 11] und im Orient, aber auch in Sibirien. Sie bildet wie die vorige Art viele Abarten, welche aber um so schwerer zu unterscheiden sind, als die Birke sowohl nach den einzelnen Individuen als nach den verschiedenen Zuständen ihrer Entwickelung und forstlichen Behandlung ungemein veränderlich ist.
Die Birke wächst in der Jugend schnell, erreicht ein Alter von 140 Jahren, eine Höhe von 25-30 m und eine Stärke [* 12] des Stammes von nur ausnahmsweise viel mehr als 40 cm im Durchmesser. Der selten gerade Stamm treibt wenige starke Äste, so daß 60jährige Bäume nur 3-4 Proz. über 8 cm starkes Astholz liefern. Stämme von 5 cbm Holzmasse sind schon in Litauen nicht selten. Die hat von allen unsern Waldbäumen die kleinste Wurzelverbreitung; sie ist sehr genügsam, gedeiht am besten in frischem, nicht zu bindigem Lehm- und feuchtem, humusreichem Sandboden; auf zu trocknem oder zu nassem Boden verkrüppelt sie zum niedrigen Busch.
Sie findet sich in Deutschland [* 13] im Flachland ebenso wie in den Gebirgen bis zu 500 m Höhe, ihre Polargrenze stimmt mit der der Nadelhölzer [* 14] nahe überein. Sie bedarf nur sehr wenig Sonnenwärme, um ihr Wachstum zu beginnen, belaubt sich schon, wenn die Tageswärme über 6° R. steigt, und verliert ihre Blätter im Herbst, wenn dieser Wärmegrad nicht mehr erreicht wird. Dies befähigt sie, wenigstens als Strauch, bis zu den baumlosen Polarländern vorzudringen. Ihre Vegetationszeit beträgt in Westeuropa über sechs Monate, in Lappland aber, wo sie die Baumgrenze erreicht, nur drei Monate.
An der Nordseite der Grimsel geht sie bis 1910 m, bei Hammerfest unter 70½° nördl. Br. noch bis 250 m Höhe. In Deutschland ist die Birke früher nur als Mischholz im Einzelstand vorhanden gewesen. Östlich der Weichsel bildet sie ausgedehnte reine Bestände. Ihr Anbau in Deutschland datiert aus dem Anfang dieses Jahrhunderts, wo derselbe ein willkommenes Mittel bot, die durch lange Mißwirtschaft ermüdeten und verödeten Waldböden wieder anzubauen. In neuerer Zeit leistet sie als Mischholz im Hochwald, als Oberholz im Mittelwald, als Schutzbaum beim Schirmschlagbetrieb (s. d.) gute Dienste. [* 15]
Ihr Same, der schon von 20jährigen Bäumen reichlich erzeugt wird, keimt sehr leicht; aber die flach bewurzelten Keimlinge gehen durch Trockenheit und Unkräuter leicht zu Grunde. Stockausschläge bilden sich nur an jungen Bäumen und kommen aus den untersten Teilen des Stockes und den bloßliegenden dicken Wurzelhälsen hervor. Man erzieht die Birken leicht und sicher durch Pflanzung zwei- bis fünfjähriger Pflänzlinge, welche aus den Schlägen genommen werden, wo sie aus Anflug von selbst wachsen.
Die Birke ist Krankheiten wenig ausgesetzt, auch leidet sie wenig durch Feinde; nur von der Raupe der Nonne, Liparis monacha L., wird sie bisweilen entblättert. Sie liefert ein dichtes, feines, sehr zähes Nutzholz, welches zu Leiterbäumen, Felgen, Deichseln, Radzähnen etc. benutzt wird. Wimmerig gewachsenes Holz dient hauptsächlich zu Möbeln, Maserholz zu Gewehrschäften, Pfeifenköpfen, Dosen etc. Als Brennholz gehört das Birkenholz zu den harten Hölzern, es brennt hell, hitzt stark und gibt, wie auch die Kohle, ein beständig lebhaftes Feuer.
Die Birkenreiser werden zu Besen und Deckreisig sowie als Wieden zum Binden gebraucht. Sonst spielten sie als Spießruten eine große Rolle. Die harzreiche weiße Rinde ist fast unverweslich und schützt sogar andres Holz gegen Fäulnis; man legt sie daher den Schwellen und Balken unter, die feucht oder auf Steinen liegen. In den nördlichen Ländern dient sie zu Gefäßen, Kleidungsstücken, Schuhen und vorzüglich zur Unterlage der Rasendächer. In Frankreich pflegt man auch Stricke und Hirtenhörner daraus zu verfertigen.
Die Gerber benutzen sie als Zusatz zu der Treibfarbe, welche die Häute auflockert und zur Aufnahme des Gerbstoffes vorbereitet. Die Blätter dienen zur Schaffütterung, zum Gelbfärben und zur Bereitung von Schüttgelb. Ältere Stämme liefern im Frühjahr beim Anbohren das zuckerreiche Birkenwasser, aus welchem Birkenwein bereitet werden kann. Aus der Rinde und Wurzel [* 16] erhält man durch trockne Destillation [* 17] den Birkenteer und das Birkenöl, welche zur Bereitung von Juchtenleder, zu Rumessenz und Parfümen, auch arzneilich benutzt werden. Ein aus dem Stamm gewonnenes Harz dient in Rußland gegen Gicht und scheint schon in prähistorischer Zeit als Amulett zu gleichem Zweck benutzt worden zu sein.
Die Strauchbirke (Birke fruticosa Pall.) ist nur strauchartig, hat stets mit weißen Erhabenheiten besetzte Zweige und nur in der Jugend schwach behaarte Blätter. Sie findet sich nur im Norden auf Mooren, im südlichen Sibirien, in Daurien und in der Mandschurei, aber auch auf den kalten Hochmooren Bayerns. 3. Gruppe: Zwergbirken, niedrige Sträucher mit rundlichen oder eirunden Blättern, deren Mittelnerv nur wenige gebogene Hauptäste absendet, zwischen welchen ein sehr deutliches Adernetz hervortritt.
Hierher gehören: Die Alpenbirke (Birke alpestris Fr.), im hohen Norden Europas, in Island [* 18] und Grönland. Die Zwergbirke (Birke nana L., s. Tafel »Birke«),
ein fast am Boden kriechender Strauch von höchstens 60 cm Höhe, mit selten über fingerdick werdenden Stämmchen, glatten Zweigen, kleinen, runden, glatten, kurzgestielten, gekerbten Blättern, findet sich auf den höchsten Mooren des Riesengebirges, des Harzes und auf den Alpen, [* 19] häufiger im nördlichen Europa, in Nordasien, Kanada und in Grönland. Aus den feinen Wurzeln verfertigen die Lappländer schöne Decken.